Melkor - Die Solopfade eines weiteren Mitgliedes von Nocte Obducta. Schwermetall hat sich dem noch labellosen Projekt mal angenommen...

Als ich hörte, dass "Melkor" eine weitere Band aus dem Hause Nocte Obducta sein soll, musste ich mich gleich mal informieren. Myspace sei Dank fand die Suche schnell ein Ende und nach ein paar Tagen war auch das erste Interview veranschlagt - die Taufe für beide Seiten: Band sowie Interviewer! Doch lest selbst.



Erzähl uns doch mal etwas zur Entstehungsgeschichte von Melkor!

Melkor: Der Name Melkor war ursprünglich als mein Pseudonym in einem jetzt seit langem auf Eis liegenden Zwei-Mann-Projekt gedacht. Anfang 2004 habe ich dann beschlossen, aus meinen Ideen auf eigene Faust etwas zu machen und dafür diesen Namen weiter benutzt. Nachdem Anfang des Jahres ein paar Versuche, eine Band zu gründen, im Sande verliefen, habe ich gegen Ende des Jahres ein Demo namens "Call of the enchained" in Eigenregie aufgenommen. Dann kam erst mal der Einstieg als Bassist bei Nocte Obducta, durch den die eigenen Sachen etwas in den Hintergrund traten. Seit ich dann 2006 bei Nocte bzw. der Nachfolgeband ausgestiegen war, konnte ich mich wieder auf Melkor konzentrieren und habe mich mit der Hilfe von Freunden und Bekannten an die Arbeit gemacht. Das erste Resultat ist das seit Ende Juli fertige Album "Ferne", das zur Zeit noch auf Veröffentlichung durch ein Label wartet. Nebenbei gesagt: auch das zweite Album wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, das Material ist in Grundzügen bereits geschrieben.

Wie würdest du die Musik selbst beschreiben?

Melkor: Als facettenreichen, atmosphärischen und intensiven Black Metal mit nordischem Feeling. Dabei erinnert "Ferne" von der Grundstimmung stark an die frühen Neunziger und ist in Teilen recht hymnisch ausgefallen, während das zweite Album etwas moderner und dunkler klingen wird. Aber das sind nur Nuancen.

Welche Themen behandelst du in deinen Texten?

Melkor: Das ist gar nicht so leicht zu sagen... Jedenfalls, die Musik entsteht grundsätzlich zuerst, danach schreibe ich die Texte relativ streng nach der rhythmischen Vorgabe der Riffs. Das führt dazu, dass die Songtexte anders sind als das, was ich ohne musikalische Vorgabe schreibe – vielleicht konventioneller oder altmodischer durch den rhythmischen Rahmen, in den sie eingepasst werden. Die Inhalte ergeben sich nicht aus vorheriger Überlegung, sondern entstehen quasi als Umsetzung der Melodien in Inhalte, in Bilder, die die Musik vor dem inneren Auge entstehen lässt. Natürlich sind das dann am Ende auch konkrete Inhalte, aber eben keine, auf die es ausserhalb der Verbindung mit der Musik ankommen würde oder die ich explizit mitteilen will. Da die Musik Emotionen wie Wut, Sehnsucht, Stolz, Melancholie, Einsamkeit und ähnliches vermittelt, geht es auch in den Texten um solche Empfindungen und darum kreisende Gedanken, obwohl sie für mich selbst am Ende mehrdeutig sind und das auch sein sollen. Wichtig ist mir, dass sie atmosphärisch eine Einheit mit der Musik bilden. Wer es genauer wissen will: einer der Texte steht bereits auf der Myspace-Seite, vielleicht kommen in Zukunft noch weitere dazu.

Betrachtest du Melkor losgelöst oder als Nachfolger von Nocte Obducta?

Melkor: Definitiv als losgelöst, da das Projekt schon vor meinem Einstieg bei Nocte bestand und weder musikalisch noch textlich an Nocte orientiert ist. Viele Teile des Albums gehen auf musikalische Ideen aus der Zeit zurück, bevor ich N.O. überhaupt kannte.

Inwiefern ist der Einfluss von Nocte Obducta spürbar?

Melkor: Für mich selbst ehrlich gesagt gar nicht. Aber wenn mir jemand erzählen würde, dass er einen Einfluss hört, würde ich das nicht per se für unmöglich halten, obwohl für erstens unwahrscheinlich und zweitens unwichtig. Ich könnte mir vorstellen, dass man am Schlagzeugstil vielleicht Ähnlichkeiten feststellen kann, einfach dadurch, dass es der gleiche Schlagzeuger war. Aber ich bin mir sicher, dass die Unterschiede überwiegen und deutlich hörbar sind.

Besteht eine Konkurrenz zwischen den "Nachfolgebands"?

Melkor: Mein Eindruck ist eher, dass jeder einfach macht, was er will, ohne sich über so etwas Gedanken zu machen, und bei Gelegenheit hilft man sich auch gegenseitig.

Wie beurteilst du die heutige deutsche Black Metal-Szene?

Melkor: Es gibt ein paar recht gute und sehr viele überflüssige Bands. Ich höre mir ehrlich gesagt nicht mehr viele neue Bands an und kann daher kein fundiertes Urteil abgeben, habe aber generell den Eindruck, dass der deutsche Black Metal keine besonders herausragenden Bands zu bieten hat. Aus Norwegen kommen oft die interessanteren und originelleren Sachen, Ausnahmen bestätigen die Regel. Nocte Obducta fand ich allerdings musikalisch sehr bemerkenswert, vielleicht die für mich beste deutsche (Ex-) Band auf dem Gebiet.

Wie stehst du zur Verbindung Black Metal und Politik?

Melkor: Die Verbindung für sich genommen würde mich nicht stören, so lange die Musik selbst dadurch nicht zum blossen Vorwand wird. Man sollte Kunst nicht in irgend einer Richtung isolieren. Aber: Die Verbindung von Black Metal und Nazitum halte ich für extrem unpassend, und das eben nicht nur, weil Musik und Politik nichts miteinander zu tun haben sollten. Eher, weil das dritte Reich die abstossendste Offenbarung der Dummheit und Brutalität ganz gewöhnlicher, angepasster, mittelmässiger Menschen war, die vorstellbar ist, und weil Black Metal in meinen Augen für das genaue Gegenteil dieser Dinge steht. Was mich auch wundert, ist, dass es zwar Tausende von Bands gibt, die mit Hakenkreuzen hantieren, aber scheinbar nicht eine einzige, die sich mal mit linkem Gedankengut beschäftigt hätte. Das, und nicht der Nationalsozialismus, scheint für die Leute das eigentliche Tabu zu sein, das niemand zu brechen wagt. Alle versuchen, möglichst extrem zu wirken, aber die unausgesprochene Spielregel scheint zu sein, dass es dabei ausschliesslich nach rechts gehen darf. Das ist mir ein Rätsel.

Was hältst du von Avantgarde/Melodic/Symphonic/etc. BM?

Melkor: In musikalischer Hinsicht habe ich keine Berührungsängste und höre mir z.B. auch neuere Ulver, Dodheimsgard und ähnliches an, auch manchen Alben von Dimmu Borgir oder Cradle Of Filth kann ich etwas abgewinnen. Es gibt viele Bands mit sogenannten symphonischen oder klassischen Elementen, die ich mag, z.B. ältere Obtained Enslavement oder Limbonic Art. Ich habe auch nichts gegen programmierte Drums, virtuelle Amp-Simulationen usw. und halte nichts von der unter Musikern verbreiteten Meinung, dass nur analoge und handgemachte Musik etwas taugen kann. Was ich nicht besonders mag, ist die Art von Progressivität, die auf "möglichst viel möglichst Schwieriges in möglichst kurzer Zeit" beruht.

Welcher Auswuchs des Metals stört dich allgemein?

Melkor: Dass Musiker sich an Zielen abarbeiten, die von Hunderten von Bands schon erreicht wurden und eigentlich sekundär sind: Härte, Geschwindigkeit, Tightness, Professionalität, fette Produktion... Dass viele mittelmässige Bands gehypt werden und viele gute Bands nie aus dem Underground rauskommen, und dass dabei das Geld eine viel grössere Rolle spielt, als man wahrhaben will. Dass das Bild dieser Musikrichtung in den Massenmedien extrem verzerrt ist und der künstlerischen Qualität der Musik nicht gerecht wird.

Gibt es noch unbekannte, hörenswerte Bands, die du empfehlen kannst?

Melkor: Nicht viele... Throne of Katharsis aus Norwegen spielen sehr guten oldschool Black Metal, haben auch mittlerweile ein Label und ein Album draussen. Ansonsten höre ich zur Zeit wie gesagt nicht mehr genug Musik aus dem Bereich, um viel empfehlen zu können...

Die obligatorischen letzten Worte an die Leser?

Melkor: Für weitere Infos: schaut öfter mal auf www.myspace.com/melkorzentral. Ansonsten freue ich mich immer über Kommentare zur Musik.

Dann bedanke ich mich im Namen von Schwermetall für das Interview und wünsche alles Gute für die Zukunft & bei der Suche nach einem Label!