Der Basler Untergrund steht auf einer weiteren Säule. Schammasch haben die Szenerie mit ihrem Album "Sic Lvceat Lvx" betreten. Bei einem so starken Debut musste einfach nachgefragt werden.

Und so habe ich mit C.S.R einen ziemlich interessanten Dialog führen können, der uns recht tiefe Einblicke in das Konzept von Schammasch und "Sic Lvceat Lvx" gibt.

Die Mitglieder von Schammasch spielen ja alle noch in weiteren Bands, Boris bei Atritas und Marc bei Blutmond. Du selbst hast bei Totenwinter gespielt (welche es glaube ich nicht mehr gibt). Welchen Status hat die Band für jeden von euch?

Das ist richtig (Totenwinter wurde  im Jahre 08 aufgelöst). Schammasch stellt für uns alle einen zentralen Punkt des Lebens dar. Da ich, anders als die anderen Mitglieder, momentan keine anderen Bandprojekte verfolge, kann ich mich Schammasch voll und ganz widmen, so wie es dieses Projekt verdient hat. Schammasch ist mein Manifest, mein Monolith, der den Grossteil meiner Energie absorbiert. Er wächst von Tag zu Tag.

 

So wie ich es sehe, bist du die treibende Kraft hinter Schammasch. Wann wurde die Band von dir gegründet und aus welchem Antrieb heraus? Wie bist du an deine Musiker gekommen?

Gegründet habe ich Schammasch im Frühling des Jahres 09.  Nach der Auflösung von Totenwinter galt mein musikalisches Interesse eine Zeit lang eher anderen Bereichen, was sich dann zu Anfang 09 wieder änderte. Ich verspürte wieder glühendes Feuer, etwas neues zu erschaffen, was ich dann auch kurzerhand umsetzte.

Mit B. stand ich sowieso in Kontakt, wir hatten zuvor bereits ab und an über neue Ideen gesprochen. M. kannte ich auch schon Jahre zuvor und fragte ihn spontan an, nachdem wir uns an einem SotM Gig im Sommer des selben Jahres trafen.

 

Woher kommt der Name Schammasch? Ich habe zwei mögliche Übersetzungen gefunden: Erstens das hebräische Wort für Synagogendiener und zweitens den babylonischen Sonnengott Šamaš. Welche ist die richtige und wie bist du auf den Namen gekommen?

"Richtig" oder "falsch" sind die falschen Worte, zutreffender wären "älter" und "jünger". Natürlich gehen dessen Wurzeln viel weiter zurück als auf das Judentum. Er stammt ursprünglich vom alten Mesopotamien (weiter zurück als Babylon). Ich habe den Namen und dessen Bedeutung (die der ursprünglichen sehr ähnlich ist) allerdings aus meiner deutschen Version des Necronomicon aufgegriffen, deshalb auch die Cs. "Schammasch" repräsentiert für mich die Quelle meiner Energie, die Dunkelheit am Anfang, am Ende des Tunnels, das Tor zum Geiste, Gott, den Lichtbringer... Es gibt etliche Interpretationsmöglichkeiten, die alle in gewisser Weise miteinander in Verbindung stehen. 

 

Da sich das Necronomicon zufälligerweise auch in meinem Regal befindet, habe ich meine Ausgabe des Buches nach Jahren von einer dicken Stubschicht befreit und nochmal nachgelesen. Und siehe da, Schammasch ist gemäss Abdul Alhazred der Erleuchter der Dunkelheit, der Lichtbringer, Verbrenner von Kutulu. Nach persönlichen Recherchen im Satanismus habe ich das Buch vor ca. 15 Jahren für mich als zu esoterisch in die Ecke gestellt. Was bedeutet es für dich? Glaubst du an die darin beschriebenen Beschwörungen und Dämonen?

Das Necronomicon ist kein eindeutiges Werk, wie wir das von sonstigen Büchern gewohnt sind. Es gibt verschiedenste Ausführungen davon. In der meinen, zum Beispiel, fiel der Beschreib Schammasch’s leicht anders aus. Von Kutulu ist darin nicht die Rede. Dieses Werk, beziehungsweise meine Version davon, trägt für mich eine spezielle Bedeutung, insofern es als indirekter Namensgeber für eines meiner Lebenswerke fungiert hat. Diese Bedeutung wird nicht vergehen. Die Namen, Riten und Beschwörungen die es beinhaltet, sehe ich grundsätzlich im selben Licht, in dem auch "Schammasch" für mich leuchtet. Es sind Tore, Brücken zur spirituellen Welt. Ob das als Glaube zu definieren ist, ist eine Frage der Interpretation.

 

Ein zentrales Thema bei Schammasch ist das okkulte Konzept. Kannst du das näher erklären? auch in Bezug auf den Namen?

Es ist interessant dass wir dass wir den Begriff "Okkult", bezüglich unseres Schaffens, immer wieder zu hören bekommen, da wir ihn nie selbst benutzt haben. Was nichts daran ändert, dass er in mancher Hinsicht zutreffend sein mag, gerade wenn man seine Weite bedenkt. Ich möchte ihn allerdings, genau wie viele andere Dinge, nicht leichtfertig gebrauchen.

Da du die Frage auf das Projekt selbst, und nicht beispielweise auf das Erstwerk beziehst, ist es sehr schwierig für mich, ein direktes Konzept zu erläutern, da ich mich in ständigem geistigem Wandel befinde und meine geistige Welt die meiste Zeit über eher einem vulkanistischen Chaos gleicht, als einer geordneten psychischen Kartei.  

Ich versuche vor allem spirituellen Erfahrungen in Zusammenhang mit negativer Energie, dem schwarzen Licht wenn man so will (womit ein einfacher Bezug zu weiter oben erwähnter Bedeutungen "Schammasch’s" Einzug fände), eine ungreifbare Form des Ausdrucks zu geben. Ich will den Geist erreichen. Musik ist wohl die Kunstform, die am unverfälschtesten und auf direktestem Wege auf diesen wirkt, da sie nicht fassbar, nicht greifbar oder sichtbar ist. Sie ist eine massgebliche Brücke zur spirituellen Welt. Als solche versuche ich sie zu nutzen. Sie kann das Boot sein, auf dem Ozean der Unendlichkeit, frei von den Nichtigkeiten unseres alltäglichen Lebens, frei von Raum und Zeit, Regeln und Moral einer perversen verrottenden Gesellschaft, die sich glücklicherweise selbst zum Tode verurteilt und gleichzeitig als dessen Vollstrecker agiert. Musik ist mehr als bloss ein Haufen Schallwellen, und sie kann, als Werkzeug betrachtet, mehr bewirken als banales kulturelles Bedürfnis zu befriedigen. Das gilt in individueller Weise für die literarische und die visuelle Art der Kunst genauso.

   

Stichwort spirituelle Erfahrungen und Brücke zur spirituellen Welt: Kann man es also auch so ausdrücken, dass du deine Musik  ritualisiert einsetzt? Und falls das so ist, ist eher das Erschaffen das Ritual, oder das Wiedergeben (z.B. beim Proben oder bei Konzerten)?

So kann man es in Bezug auf die live-Präsentationen auf jeden Fall ausdrücken. Wenn alles harmoniert, kommt für mich nicht viel der Intensität einer Bühnendarbietung nahe. Dieses Thema werden wir zukünftig auf alle Fälle weiter ausbauen und intensivieren. Es ist ein elementarer Bestandteil unserer Kunst und bietet wunderbare Gelegenheiten, speziellen Zugang zu ihr zu finden, sofern man offen dafür ist natürlich. Was den Prozess des Erschaffens betrifft, dieser beinhaltet viele Aspekte fern von mystischen oder spirituellen Schwingungen, zumindest was den musikalischen Teil anbelangt. Dinge wie Aufnehmen, Niederschreiben, Strukturieren von Ideen etc. Der lyrische Teil bietet da natürlich wieder ganz andere Facetten, da lyrisches Schaffen wesentlich einfacher und schneller festzuhalten ist.

Natürlich kann ich auch nicht umhin, wenn wir schon von Ritualen reden, auf deine Verletzungen an den Armen einzugehen. Du sprichst auch über die Menschheit als eine perverse verrottende Gesellschaft. Siehst du dich selbst als Teil dieser, oder stehst du ausserhalb?

Natürlich bin ich Teil davon, etwas anderes zu behaupten wäre unsinnig. Solange ich arbeite, einkaufe und nicht fernab von ihr lebe, werde ich Teil davon sein, ob es mir gefällt oder nicht. Ich schliesse es allerdings nicht aus, diesen Umstand eines Tages radikal umzugestalten.

Zu den Stigmata sage ich so viel: Sie sind die Asche, zahlreicher spezieller Zustände. Im Positiven wie im Negativen.

Nun möchte ich auch mal auf das Album zu sprechen kommen. Für alle des Lateinischen nicht mächtigen. Was bedeutet der Titel "Sic Lvceat Lvx"?

Soviel wie "Thus, let the Light shine", oder "Thus shines the Light". Ein Phrase mit grossartigem Raum für Interpretation.

In der Tat. Meine Interpretation würde wieder auf "Schammasch" zurück gehen, der ja unter anderem den Sonnengott und Lichtbringer symbolisiert. Demgegenüber fällt auf, dass das Cover zwei aus verschiedenen Motiven zur "Göttlichen Komödie" komponiert ist. Es scheint mir deutlich düsterer als der Titel. Wie passt das Cover zum Album?

Das ist nicht ganz korrekt. das Frontcover ist ein Zusammenschnitt aus Gustave Doré’s "Purgatorio VIII – In the Garden", eines der Werke seiner Illustrationsreihe der "Göttlichen Komödie", und John Martin’s "The Fall of Babylon".

Das Artwork und der Titel bilden eine sehr starke symbolische Einheit. Nechesh, die in Form der Schlange als Symbol der Sünde steht, verkörpert darüber hinaus die Weisheit, welche in diesem Kontext mit dem Licht gleichzustellen ist. Das Licht ist ein so kraftvolles wie ungebundenes Symbol. Dass es die westliche Gesellschaft automatisch als Symbol für das Gute oder Positive deutet, ist leicht durchschaubar. Es geht bei Schammasch jedoch weit darüber hinaus.

Du deutest oben an dass es ein Konzeptalbum ist. Solche finde ich beim hören immer besonders spannend.Was ist die Geschichte hinter "Sic Lvceat Lvx", was verbindet die Songs?

SLL’s erste Noten begann ich bereits zu schreiben, als das Projekt Schammasch erst in meinem Kopf existierte. Es ist also direkt und unmittelbar mit dem ganzen Entstehungsprozess von Schammasch verbunden. Es steht für zahlreiche wichtigen Momente, Erfahrungen, Grenzüberschreitungen... Sein Wert für mich ist einzigartig.

Ein Konzeptalbum ist definitiv. Die hermetische Phrase "as Above so Below", lässt sich passend auf die Kernthematik beziehen, im Sinne des Verhältnisses von Licht und Dunkel, oder allgemein gesagt, der positiven und negativen Instanzen, bzw deren Einswerdung oder relative Bedeutung. Textliche Parallelen lassen sich durch das ganze Album hindurch finden, genauso wie auch visuelle im Artwork. Die negative Grundstimmung zieht sich in gewisser Weise durch das Album, auch wenn der musikalische Teil doch recht viele Verschiedenheiten aufweist.

SLL ist kein technisch makelloses, geistig flaches high-end Album, von denen jährlich hunderte erscheinen. Sowieso ist es fern davon, makellos zu sein. Es wiederspiegelt eine komplizierte und schwierige Entwicklung einer künstlerischen Manifestation von Fragestellungen, Verzweiflung, Chaos, Orientierungslosigkeit, Schmerz, Licht, Spiritualität und Leidenschaft. Dieses Werk braucht Zeit, Energie und eine gewisse geistige Basis und Offenheit, um seine Wirkung entfalten zu können.

Das sehe ich auf jeden Fall auch so. Nachdem ich für Schwermetall.ch das Review geschrieben hatte, habe ich auch Reviews von Kollegen gelesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass viele Kritiker das Album als sehr homogen beschrieben haben. Mir ging es da genau anders, ich vermisse eine stärkere Durchgängigkeit. Wozu tendierst du da selber bezogen auf das komplette Album?

In punkto Reviews habe ich bisher schon Dinge von "starker Homogenität" und "ausgereiftes Konzept"  bis zu Amusements wie "Durchschnitts-Black Metal für zwischendurch" gelesen. So am Rande bemerkt.

Wie schon erwähnt, die musikalischen Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Stücken sind zweifellos vorhanden, und die breitgefächerten lyrischen Einflüsse sind ebenso Tatsache. Ob diese Faktoren schlussendlich der Homogenität schaden? Das liegt wohl und wie man sieht im Auge des Betrachters. Das Konzept liegt in den Tiefen des Albums. Ich selbst sehe SLL als absolute Einheit, als Manifest, einschliesslich seiner Makel und Schwächen, die mir den wunderbaren Dienst erweisen, als Lehrer für mein zukünftiges Schaffen zu fungieren. Ich würde nicht das Geringste daran ändern, hätte ich die Chance dazu.

Inwieweit sind eigentlich die anderen Mitglieder in den Entstehungsprozess von Musik und Lyrics bei Schammasch einbezogen?

Dieser Prozess ist wirklich klar deklariert mein Gebiet. Das ist meine Art des künstlerischen Erschaffens. Ich würde allerdings niemals Ideen der anderen Mitglieder, die mir gefallen, von der Tatsache her ablehnen dass sie nicht von mir stammen.

Das Album ist nun bereits ein paar Monate draussen, wie geht es jetzt mit Schammasch weiter? Sowohl musikalisch, als auch auf das "Business" bezogen?

Ich befinde mich bereits seit den damaligen Aufnahmen wieder im Erschaffungsprozess zum kommenden Werk. Ich habe seither einige Veränderungen an meiner gewohnten Arbeitsart vorgenommen, nicht zuletzt deshalb wird die nächste Manifestation in einem ganz anderen Licht glänzen. Was bei SLL noch unter dem fehlenden Erfahrungswert und der fehlenden Infrastruktur litt, gilt es diesmal zu überwinden. Der nächste Aufnahmeprozess wird auf jeden Fall unter den Fittichen eines Meisters vom Fach stattfinden. Wir hoffen natürlich, mit dem kommenden Album die Unterstützung eines professionellen Labels zu gewinnen.

Für den Moment versuchen wir natürlich intensiv, gute live-Möglichkeiten an Land zu ziehen und den Namen Schammasch weiter zu verbreiten, vor allem auch ausserhalb der Schweiz. Des Weiteren sind unsere ersten T-Shirts seit kurzem erhältlich, und wir werden in Bälde unsere Version von VON’s "Christ Fire" für das Projekt "Legion of VON" ( http://www.myspace.com/legionofvon ) aufnehmen, die dort veröffentlicht werden wird.

Lässt sich deiner Meinung nach das Konzept von Schammasch im Allgemeinen und von Sic Lvceat Lvx überhaupt weiterführen? In welche Richtung kann es erweitert werden, ich gehe schliesslich nicht davon aus, dass sich Schammasch wiederholen wollen.

Das Symbol des Lichts wird Schammasch immer begleiten. Es ist eine unerschöpfliche Energiequelle und lässt sich auf tausend andere Arten auslegen. Für das kommende Album besteht bewusst noch nicht ein einziges Wort, und das wird sich nicht ändern, bevor nicht die Musik ihr letztes Wort gesprochen hat. Ich werde damit warten, bis die Zeichen erscheinen, der Moment dafür gekommen ist.

Was Wiederholung und Stagnation anbelangt, ich denke es läge gar nicht in meiner Macht, das selbe Album ein zweites Mal zu schreiben. Und natürlich genauso wenig  in meinem Interesse.

Ich bin auf jeden Fall gespannt auf Neuigkeiten und danke dir für deine ausführlichen Antworten.

Ich danke dir. Es war ein äusserst interessantes Interview. Bis bald.