Im Frühling 1993 erschien im Metal Hammer, vermutlich in der Ausgabe Mai '93, ein von Robert Müller verfasster Artikel, dessen Einleitung ich nachfolgend wiedergebe. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass es zu jenem Zeitpunkt in Wahrheit ziemlich schwierig oder sogar komplett unmöglich war, an Tonträger von MAYHEM, IMMORTAL, BURZUM oder EMPEROR heranzukommen, was dies alles um ein Vielfaches geheimnisvoller und nebulöser gestaltete.
Kultiger Höhepunkt des Textes von Robert Müller ist die Passage, die seinerzeit meine Phantasie so richtig beflügelte: "... Wobei das letzte Ideal ist, die Welt in ein neues Zeitalter düsterer Riten, ein zweites Mittelalter zu stürzen."
Satanische Verse
Black Metal einer der Vorläufer des ungleich erfolgreicheren Death Metals, mittlerweile aber auch so etwas wie sein Erbe; die extremste, haßerfüllteste, provozierendste Musik, die wohl zur Zeit auf diesem Globus gemacht wird.
Und vielleicht auch diejenige, die die gesamte Toleranz, die mittlerweile extremen Musikformen zukommt, wieder zerstören kann. Stärker noch als im Death Metal sind im Black Metal gewisse böse Accessoires Pflicht. An erster Stelle zu nennen: Satanismus. Das ganze Auftreten der zeitgemäßen Black Metal-Bands zielt einerseits auf größtmögliche Schockwirkung, andererseits aber auch immer wieder darauf, die Existenz dieser gesamten Szene in einer mystischen, bedrohlichen Dämmerung zu belassen. Das Potential des Black Metal als rotes Tuch für die selbststilisierten Kontrollinstanzen der Gesellschaft ist kaum zu ermessen, und damit kommen wir zum eigentlichen Anlaß für diese Story, der Tatsache, daß genau das geschehen ist: Black Metal hat sich aus den Kolumnen der Underground-Fanzines in das Interesse der Massenmedien katapultiert.
Tatort Norwegen. Ein Land, das mit Bands wie Mayhem, Darkthrone, Immortal, Burzum oder Emperor als eines der Zentren der Black Metal-Renaissance gilt. Lange Zeit war Black Metal ja, auch durch den massiven Erfolg des Death Metal, ein reines Untergrundereignis. Relativ unbeobachtet vom öffentlichen Musikinteresse, hat es seit Venom (die man als die erste Black Metal-Band betrachten muß) immer wieder Bands gegeben, die eine zentrale Rolle für eine kleine, aber stets existente Szene einnahmen. Bands wie Bathory in Schweden Mitte der Achtziger etwa; in Norwegen spielen seit ca. 1984 Mayhem diese Rolle. Erst als musikalische Urväter der einheimischen Szene, aber spätestens seit dem Selbstmord des Mayhem-Sängers Dead im Frühjahr 1991 richtete sich die Aufmerksamkeit von Mayhem und den mit ihnen assoziierten Bands auf mehr als nur auf die Bewahrung einer ökologischen Nische für die von ihnen verehrte Musik.
Der sogenannte Black Metal Council of Norway, der unter der Führung Euronymous' (von Mayhem) Musiker fast aller oben angegebenen Bands umfaßt, begann mit seiner selbstgestellten Aufgabe, die Welt von nicht wahrhaft ergebenen Black-Metallern und dem Satanismus abschwörenden Death Metal-Bands zu reinigen; wobei das letzte Ideal ist, die Welt in ein neues Zeitalter düsterer Riten, ein zweites Mittelalter zu stürzen. Erste Gerüchte, die an die Öffentlichkeit drangen, betrafen eine Todesliste der als Feinde betrachteten Musiker, dazu kamen bald Übergriffe wie etwa der Versuch, das Haus des Therion-Sängers Kristofer abzufackeln (Therion spielen nach Meinung vieler satanischer Musiker in Skandinavien sogenannten Treibhaus-Effekt-Death Metal, also Death Metal mit politisch/sozialen Texten die Tatsache, daß Therion sich jetzt wieder dem Okkultismus zugewandt haben, hat die Sache übrigens nur noch schlimmer gemacht) und Angriffe auf den Tourbus von Paradise Lost. Der traurige Höhepunkt drang jetzt vor kurzem an die Öffentlichkeit, als Varg Vikernes alias Count Grishnakh, Frontmann von Burzum, unter dem Verdacht, acht Kirchen in ganz Norwegen niedergebrannt zu haben, verhaftet wurde. Auf einmal war die gesammelte Aufmerksamkeit der Medien auf diese geheimnisvolle, faschistisch-satanistische Vereinigung gerichtet [...]
Es folgen drei Smalltalks, nämlich mit Ted Skjellum alias Nocturno Culto von DARKTHRONE, in welchem jener einige Äusserungen macht, die vom Skandal-Smalltalk "Schwachsinn hoch drei!", welches kurz zuvor im Rock Hard publiziert worden war (es findet sich irgendwo in diesem Forum), abweichen, ausserdem mit Tomas Lindberg von AT THE GATES sowie mit Mika Luttinen (welches in diesem Forum im IMPALED NAZARENE-Huldigungsthread wiedergegeben ist).
Einen Monat später erschien im Rock Hard die berüchtigte vierseitige Anti-Black-Metal-Reportage "QUO VADIS, BLACK METAL? Abstruse Rituale, absurde Theorien, und jetzt sogar Mord? Der Black Metal macht von sich reden. ROCK HARD fragt nach..." (Mit "Mord" ist der Fall ABSURD gemeint; Euronymous erfreute sich zu jenem Zeitpunkt noch bester Gesundheit.)
Ich hirne grad, welche Bezeichnungen es insgesamt für das Black Metal-Milieu um Euronymous im Helvete gegeben hat:
- Black Metal Council of Norway
- Norwegian Black Metal Mafia
- Svarte Sirkel (Black Circle)
Gibt es noch weitere?
Die anfänglich ironisch gemeinte Bezeichnung "Inner Circle" kam erst im Laufe des Sommers 1993 auf, weil dies der Name einer Reggae-Band war, welche zu jenem Zeitpunkt mit dem dämlichen Pop-Song "Sweat (A La La La La Long)" auf allen Kanälen nervte.