Im Jahre 1985 spielten Alex Krull und Mathias Röderer in der thrashigen Metal Band Instigator, welche sie aber nach kurzer Zeit wieder verliessen um unter dem Namen Atrocity etwas sehr viel härteres zu kreieren. Bereits 1988 kam das erste Demo der deutschen Jungs auf den Markt, beziehungsweise in den Untergrund und hiess „Instigators“. Mit meinen 10 Lenzen war ich damals natürlich noch zu jung um in den Genuss dessen zu kommen und auch die „Blue Blood“ Scheibe kenne ich nur von einer Wiederveröffentlichung namens „The Hunt“, welche dafür als CD und 10“ den Weg in meine Sammlung fand. Das war allerdings schon ein paar Jahre später. Die erste Atrocity Scheibe, welche meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte war die „Hallucinations“ 1990, wegen dem Coverartwork von H.R.Giger. Ich muss zugeben, dass ich mit dem rasenden Death Metal damals noch nicht sehr viel anfangen konnte, auch wenn der eine oder andere Mid-Tempo Part zwischendurch für Auflockerung sorgte. Trotzdem langte ich zwei Jahre später bei der „Todessehnsucht“ wieder ohne zu zögern zu und der düstere Touch, den das Album hatte, gefiel mir auf Anhieb. Meine zwei Lieblingsscheiben von Atrocity waren und sind allerdings „Blut“ und die „Calling the Rain“ EP. Die sind an Atmosphäre einfach nicht zu übertreffen. Ihr starker Hang zum Experimentellen wird allerdings daran schuld sein, dass sich die Lager der Fans gespalten haben. Waren die einen sichtlich verwirrt von den industriellen Klängen, welche auf „Die Liebe“ in Zusammenhang mit den Atrocity-typischen Gitarren und Gesängen für eine vollkommen neue Art von Härte sorgten, so schweisste es den harten Fan-Kern wohl noch mehr mit der Band zusammen. Ich selbst finde die Scheibe schlichtweg genial. Bevor allerdings die richtige experimentelle Phase der Band begann, knallte man der Fangemeinde mit „Willenskraft“ noch einen ordentlichen Death Metal Kracher vor den Latz. Aber so bekannt die Mannen damals auch schon waren, den wirklichen Durchbruch schien ihnen „Werk 80“ zu bringen, auf dem sie einige Songs aus den 80ern im Atrocity-Stil zum Besten geben. Diese Scheibe scheint nachhaltig den weiteren Verlauf der Band stark beeinflusst zu haben, warum auch schon seit langem der Nachfolger, „Werk 80 II“, in den Läden stehen sollte. Warum sie es noch nicht tut, und wann es endlich so weit sein wird, soll uns hier am besten Alex Krull selbst beantworten.
Alex: Am 08.02.2008 erscheint „Werk 80 II“. Ein cooles Datum, nicht? Im Ernst, tatsächlich hat es mit der Scheibe etwas länger gedauert als erwartet. Wir haben in den letzten Jahren sehr ausführlich getourt, gerade jetzt bin ich wieder 4 Wochen auf USA und Kanada Tour und beantworte Dir dieses Interview im Tourbus… und deshalb hat ein so aufwändiges Projekt wie dieses Album, das sowieso sehr zeitintensiv ist, noch längere Zeit in Anspruch genommen. Und „Gut’ Ding will Weile haben“, ein sehr passender Spruch zu dieser Albumproduktion.
Dem Titel der Scheibe nach werdet ihr auf dem Album wieder eine Ansammlung an Coverversionen haben. Welche Lieder dürfen wir denn erwarten?
Alex: Es werden wieder 80er Jahre Hits neu im Atrocity Stil interpretiert. Die Songliste ist richtig cool, wird aber noch nicht verraten.
Laut anderen Interviews habt ihr bei der „Werk 80 II“ ein Orchester und einen Chor mit an Bord. Wie stark werdet ihr diese denn einsetzen?
Alex: Das stimmt. Wir haben mit einem Orchester und einem Chor gearbeitet. Das ganze hat dadurch auch eine schöne klassische Note bekommen, was mir persönlich sehr gut gefällt. Alles klingt sehr lebendig und harmonisch. Die Arbeiten waren ziemlich intensiv und spannend. Auf der ersten „Werk 80“ gab es ja auch schon klassische Elemente, wir haben es diesmal eben noch etwas mehr ausgebaut.
Habt ihr ein bekanntes Orchester und einen bekannten Chor engagiert?
Alex: Wir haben mit Leuten aus unserer Gegend gearbeitet, was uns den Vorteil gab, immer direkt dabei zu sein, um einwirken zu können, und auch Aufnahmesessions bei uns im Mastersound Studio zu machen.
Die erste „Werk 80“ war ja trotz der alten Lieder ziemlich „hart“ weil euer damaliger Musikstil stark mit einfloss, wie habt ihr die Lieder dieses Mal interpretiert? Welche musikalischen Einflüsse werdet ihr einbringen?
Alex: Entscheidend ist für uns, dass die Songs in unserem Band-Musikstil interpretiert werden und trotzdem ihren Charakter und Charme beibehalten. Hey, wir sind Atrocity und spielen diese bekannten Songs, da soll man verdammt nochmal hören, dass wir das sind, hahaha. Für manche mag das „hart“, für andere wiederum „soft“ sein. Ich habe da schon lustigerweise beides gehört. Das ist eben Ansichtssache. Uns ist es wichtig, dass die Songs und deren Ausarbeitung erstmal uns selbst als Künstler herausfordern und gefallen. Wenn wir die Lieder gar nicht verändern würden bzw. völlig entstellen würden, ergebe das für mich wenig Sinn. Wenn wir die Songs aussuchen, haben wir eine Vision, wie die Versionen werden sollen, ob sie für uns passend sind, oder nicht.
Gibt es auf „Werk 80 II“ noch Growls, oder singst du alles clean ein?
Alex: Es wird sozusagen eine gesunde Mischung geben. Lass Dich überraschen. Ein paar Neuerungen sind auch dabei. Ich wollte eine abwechslungsreiche aber zugleich homogene Linie auf der Platte haben.
Als grosser Fan der „Calling the Rain“-EP freue ich mich natürlich schon sehr auf das kommende Album bei dem ihr wieder mit deiner Schwester Yasmin zusammenarbeitet. Kannst du uns schon mehr darüber erzählen? Es soll ja ein düsteres Akustikalbum werden. Habt ihr demnach also keinen Song im Plan, bei dem ihr ihren Gesang mit deinen Growls und verzerrten Gitarren mischt? Oder zumindest so etwas wie „Land beyond the Forest“ ?
Alex: Die Songideen, die wir bislang für unseren „Calling The Rain“-Nachfolger vorbereitet haben sind hauptsächlich akustische Nummern, obwohl wir ganz bestimmt auch einige Songs mit E-Gitarre haben werden. „Land beyond the forest“ ist ein grossartiger Song, der gefällt mir immer noch sehr, sehr gut. Ich habe, bevor wir auf Tour gegangen sind, noch die Remasters fast des gesamten Backkataloges von Atrocity abgeschlossen. Da waren auch die Songs von „Calling the Rain“ dabei, das ist immer noch eine innovative und völlig zeitlose Scheibe.
Wann werdet ihr denn die Arbeit an dem Album mit Yasmin beginnen?
Alex: Sobald wie möglich. Im Prinzip sammeln wir immer Ideen für unsere Alben und wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, geht’s mit der Produktion los.
Was macht Yasmin eigentlich sonst? Ich habe eine MySpace Seite von ihr gefunden, auf der ein Lied von ihr ist. Singt sie noch in einer anderen Band? Bei ihrer Stimme wäre es blosse Vergeudung, wenn sie das nicht tun würde.
Alex: Yasmin war sehr lange im Filmgeschäft unterwegs und hat auch bei vielen Videoproduktionen bekannter Acts mitgearbeitet. Mittlerweile lebt sie in England und arbeitet an ihrer ersten Soloscheibe. Sie hatte eine eigene Musikgruppe zusammen, wobei ein tragischer, tödlicher Unfall des Gitarristen und Mitkomponisten alles umgeworfen hatte. Ich habe Yasmin gut zugeredet, dass sie trotzdem weitermacht, und nun nach einiger Zeit scheint es zu klappen. Das freut mich natürlich ganz besonders für meine Schwester, auch weil ich selbst ein grosser Fan ihrer Sangeskunst bin!
Beide oben genannte Alben werden wohl nicht als offizieller Nachfolger von Atlantis geplant sein. Habt ihr auch schon ein richtiges Atrocity Album in der Hinterhand, oder liegt das noch in zu ferner Zukunft?
Alex: Im Prinzip ist das wirklich noch Zukunftsmusik. Allerdings steht fest, dass wir eine düstere Trilogie mit einem mystischem Konzept machen werden. Auch hierfür werden schon erste musikalische Ideen konzipiert. Manchmal würde ich am liebsten die Zeit anhalten, damit wir unserer Kreativität noch viel mehr Freiräume geben könnten. Dann kommt aber wieder die nächste Tour und es geht wieder zurück auf die Bühne hahaha, es könnte aber auch schlimmer sein…
Wenn ich mir alle eure Alben anhöre muss ich doch sagen, dass ihr euch seit „Hallucinations“ doch sehr gewandelt habt. Wie wollt ihr da weitermachen? Was schwebt euch als nächstes vor? Wird das nächste Album wie „Atlantis“ klingen, oder erwartet uns wieder das Unerwartete?
Alex: Ich hoffe doch, dass wir ein wenig unvorhersehbar bleiben werden! „Atlantis“ war schon ein sehr schönes und abwechslungsreiches musikalisches Werk. Bestimmt werden wir einige Elemente beibehalten. Matze hat beispielsweise ein paar sehr schwere, wagnerianische Sachen gemacht, die auch gerne neben „Clash of the titans“ oder „Apocalypse“ stehen könnten. Aber wie gesagt, wir arbeiten ja erstmal Ideen aus. Wer weiss schon, was uns noch alles einfällt.
Werdet ihr in Zukunft noch öfter mit Das Ich oder Lacrimosa zusammenarbeiten, oder habt ihr vielleicht sogar andere Künstler im Auge?
Alex: Wer weiss, es ist zwar nichts Derartiges geplant, aber die Zusammenarbeit mit Das Ich und auch mit Lacrimosa hat mir gut gefallen. Wir haben immer mal wieder Künstler im Kopf mit denen wir mal gerne was zusammen machen würden wie z.B. Diamanda Galas oder auch Laibach. Bei Diamanda Galas hatte es damals zur Blut Scheibe schon Kontakte gegeben, es hat aber aus terminlichen Gründen nicht hingehauen. Es ist aber auch nicht tragisch, wenn derartige Kooperationen mal nicht zu Stande kommen, obwohl es natürlich auf eine gewisse Weise immer sehr reizvoll und spannend ist. Wir haben selbst viele Anfragen nicht weiterverfolgen können, weil es zeitlich nicht drin war.
Ich habe auch etwas von einer DVD in deinem Interview gelesen. Wird das eine Live-DVD? Oder vielleicht so eine Art Film über die Band, wie es jetzt viele gerne machen? Eine DVD mit all euren Videoclips wäre sicher auch eine tolle Idee. Vor allem die aus der BLUT-Zeit haben mir sehr gefallen.
Alex: Das ganze wird eine Art Atrocity Dokumentation werden. Wir haben unglaublich viele Leute befragt und sind immer noch dabei Interviews aus aller Welt zusammen zustellen. Gerade erst haben wir ein Filmteam auf Reise geschickt, um Statements von Leuten, die mit der Band zu tun haben, einzufangen. Zusätzlich werden wir noch vieles an Filmmaterial auf die DVD packen, wie natürlich Videoclips, auch aus der Blut Ära, und ganz neue Sachen. Wieder mal eine sehr aufwändige, zeitintensive Geschichte, aber wir scheuen ja weder Zeit noch Geld um für unsere Fans und unsere Ansprüche qualitativ hochwertige Produkte an den Start zu bringen!
Wie geht es bei all der Arbeit mit Leaves’ Eyes weiter? Habt ihr da noch Zeit für ein weiteres Album?
Alex: Aber natürlich! Die Produktion ist gerade nach der langen „Werk 80“-Produktion losgegangen! Wir haben mit Leaves’ Eyes die ganze Welt bereist. Auch wenn es viele noch nicht ganz mitbekommen haben, wir waren mehrfach in ganz Europa, USA, Kanada, Süd- und Mittelamerika und Australien, also in ca. 40 Ländern unterwegs. Wir haben mittlerweile die dritte USA-Tour für Vinland Saga auf dem Buckel und werden im April 2008 wieder für über 7 Wochen in den Staaten auf Tour sein. Eine Asienreise ist auch noch vor dem Release der nächsten Scheibe geplant.
Für die „Lovelorn“ durfte ich ja damals noch eine Kritik schreiben, auf der EP „Legend Land“ geht ihr allerdings schon viel härter zur Sache. War das etwas Einmaliges für diese EP, oder möchte deine Frau mit dem ewig langen Namen Liv Kristine Espenæs Krull weiter in diese Richtung gehen?
Alex: Ähm, Leaves’ Eyes ist eine Band und kein Soloprojekt von Liv, das hat man schon öfters missverstanden. Liv hat ja mit Liv Kristine zuletzt ihre Soloscheibe „Enter my religion“ auf Roadrunner Records veröffentlicht. Mit Leaves’ Eyes werden wir den Weg von „Lovelorn“, „Vinland Saga“ und der MCD „Legend Land“ konsequent fortsetzen. Es wird ein paar neue musikalische Elemente geben, um den typischen Leaves’ Eyes Sound zu erweitern.
Und ich dachte, dass sie da eher den Ton angibt, weil ihr euch ja immerhin bei Atrocity schon ausleben könnt. Eine kleine Frage am Rande. Wenn Liv Autogramme gibt, schreibt sie da ihren ganzen Namen hin oder kürzt sie ihn ab?
Alex: Haha, eine wirklich interessante Frage - ich glaube sie schreibt nur Liv oder LivK. Wir geben ja nach jedem Konzert traditionell Autogramme. Liv’s ursprünglicher Familienname Espenæs ist übrigens ein uralter Wikingername, der noch original aus dieser Zeit stammt, den wollte sie verständlicherweise nicht ganz aufgeben als wir geheiratet haben. Ich hätte das auch sehr schade gefunden.
Wenn ihr ständig auf Tour seid, hast du auch sicher viel zu erzählen. Wie verläuft denn die Tour so?
Alex: Wir sind momentan mit Leaves’ Eyes zusammen mit Kamelot in den USA und Kanada unterwegs. Die Tour läuft hervorragend, die Venues sind super besucht, in New York waren beispielsweise knapp 1.000 Leute da und die Stimmung ist überall sehr gut! Das einzige Übel ist die Tatsache, dass wir jeden Tag ein wenig mit unserem Equipment improvisieren müssen, da von der Fluggesellschaft KLM einige unserer Cases verschlampt worden sind, und sie bis jetzt nicht in der Lage waren uns die auf Tour nachzuschicken.
Was würdest du jetzt rückblickend über die Fans sagen? Kennt man Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern? Was Power Metal betrifft sollen ja die Deutschen am meisten abgehen. Wo werdet ihr am meisten gefeiert?
Alex: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn wir haben wirklich überall sehr gute Erfahrungen gemacht. Und natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, was ich sehr positiv finde. Als wir beispielsweise mit beiden Bands in Südamerika und Mexiko unterwegs waren, gab es echt sehr euphorische Reaktionen. Unglaublich, wie die Leute uns dort empfangen haben, da flossen zum Teil die Tränen. Was mir aufgefallen ist, sind die super Feedbacks für Leaves’ Eyes in den USA, Kanada und UK. Das ist für europäische Bands, vor allem mit deutscher Beteiligung, nicht immer die Regel. Auf den Festivals haben wir mit Atrocity und Leaves’ Eyes aber genauso im deutschsprachigen Raum oder in Benelux richtig geile Shows gehabt, die uns unvergesslich bleiben werden. Ein paar sehr spezielle Momente gab es für uns mit Leaves’ Eyes in Norwegen. Als wir „Norwegian Lovesong“ gespielt haben, hatten die Leute danach als Sympathiebekundung für Liv’s Ankunft zu hause in Norwegen die norwegische Nationalhymne angestimmt. Da bekam man echt Gänsehaut, wenn man wie in Oslo vor ausverkauftem Haus mit 1.400 Zuschauern, so etwas auf der Bühne erlebt. Und das hatte nichts mit irgendwelchen überdrehten patriotischen Gedankengut zu tun, sondern war einfach ein sehr herzlicher Empfang für Liv und uns alle.
Wie läuft das eigentlich innerhalb der Band? Nach einer dermassen langen Zeit gemeinsam in einem Bus könnte ich mir vorstellen, dass da hin und wieder dicke Luft herrscht.
Alex: Das ist klar. Wir sind wie eine kleine Familie und haben gelernt uns zu arrangieren. Man muss einfach respektvoll miteinander umgehen. Ausserdem darf man dabei nicht vergessen, dass wir auch immer Crewleute mit an Bord haben oder auch unsere Kids. Wir haben das Glück, dass wir eigentlich immer einen eigenen Nightliner für uns und unsere Crewleute haben, man kennt sich und weiss wie es läuft. In Amerika sind die Tourbusse glücklicherweise sehr geräumig. Touren ist aber trotz allem eine sehr intensive, kräfteraubende Sache und definitiv kein Zuckerschlecken! Vor allem die ätzend langen Flugreisen sind alles andere als lustig. In Australien sind wir fast jeden Tag geflogen und haben mit zwei Bands über 2 ½ Stunden am Abend gespielt, das schlaucht ganz schön.
Als ihr kurz vor der Jahrtausendwende mit Heavenwood in Salzburg gespielt habt, habe ich gegen euren Bassisten Chris (der zweite, der mitgespielt hat fällt mir leider nicht mehr ein) Tischfussball gespielt. Funktioniert das immer noch mit der Fannähe? Ändert sich so etwas mit dem Bekanntheitsgrad oder habt ihr für solche Sachen überhaupt noch Zeit?
Alex: Aber natürlich! Wir haben uns diesbezüglich bestimmt nicht verändert. Warum auch? Wir geben nach jeder Show Autogramme und machen, wenn es irgendwie möglich ist, mit den Fans ein Meet und Greet am Merch. Das ist uns sehr wichtig, immerhin bekommen wir dann die Feedbacks auf unsere Konzerte direkt von den Fans, und was noch wichtiger ist, viele Fans freuen sich uns einmal persönlich zu treffen!
Kommen wir zu einer Frage, die mir schon lange auf der Zunge liegt. Ehrlich gesagt hatte ich beim Erscheinen von „Gemini“ befürchtet, dass das das Ende von euch wäre, zumindest was den Metal betrifft. Nicht nur der massighafte Einsatz vom Synthesizer, sondern auch der softe Gesang und, allem voran, die schlimmen Texte haben mich damals doch sehr erschreckt. Aber zum Glück habt ihr euch mit „Atlantis“ ja wieder umorientiert. Wie siehst du „Gemini“ jetzt im Nachhinein? Würdest du die Lieder jetzt immer noch so machen? Was hat euch damals zu diesem Album bewogen?
Alex: Aber sicherlich würden wir das genauso machen! Das hat auch alles nichts mit „umorientieren“ oder ähnlichem zu tun. Ich finde das deutsch-englische Konzept immer noch genauso cool wie damals, und musikalisch steckt in dem Album unheimlich viel drin. Ich kann nur mal empfehlen, das Album mit Kopfhörer anzuhören! Und viele Texte wie zum Bespiel der „Wilder Schmetterling“ Song sind komplett falsch interpretiert worden, eigentlich geht der Song um einen wahnsinnigen Serial Killer. Sei’s drum. Ich glaube, man muss die Philosophie von Atrocity erstmal verstehen, um überhaupt etwas zum musikalischen Werdegang der Band sagen zu können bzw. uns zu beurteilen. Wir sind eben nicht die typische Metal Band, die alle Jahre wieder ein Album mit gleicher musikalischer Ausrichtung herausbringt. Das ist nicht unser Ding bei Atrocity! Wir sind Künstler und ich sehe das so, dass ich mit der Band keinen Vorschriften, Regeln, oder sonstigen bescheuerten Normen in der Musik unterliege. Metal stand einmal für Revolution und Freiheit. Und das bedeutet die Musik und der Lebensstil immer noch für mich. Wer die Kunst kastriert, tötet die Kreativität der Musiker und somit auch letztendlich die Szene. Wer sich hinstellt, und was von true oder nicht true erzählt nur aufgrund musikalischer Basics ist ein verdammter Spiesser. Solche dämlichen Sprüche haben wir uns doch früher immer alle von irgendwelchen konservativen Leuten anhören müssen, die behauptet haben, E-Gitarren machen nur Lärm und Heavy Metal sei sowieso keine Musik. Hätte man auf derartige bescheuerten „Weisheiten“ gehört, gäbe es wahrscheinlich weder Rock Musik geschweige denn Metal. Mittlerweile kommen solche ähnlich dämlichen Äusserungen aus den „eigenen“ Reihen, da werden Bands aufgrund ihrer untypischen Einflüsse kritisiert und ausgegrenzt. Diese Meinungsmache ist Bullshit, und ich werde mich persönlich niemals solchen idiotischen Regeln unterwerfen. Das ist unsere Musik, das sind meine Texte. Natürlich ist das Ganze auch immer Geschmackssache, und es gibt Leute denen gefällt das und anderen wieder etwas anderes. Wenn jemanden eine Platte nicht gefällt, kein Problem, der kann sich gerne andere Platten von uns anhören, die ihm/ihr besser gefallen oder etwas ganz anderes. Wir sehen uns als Komponisten, die ähnlich wie die klassischen Komponisten, verschiedene Themen aufgreifen und verarbeiten. Das machen namhafte Filmregisseure genauso, und natürlich gibt es dann Filme, die einem besser gefallen als andere. Der eine steht auf Action der andere auf Romantik. Fakt ist, ich mache seit über 20 Jahren Metal, und kein Arsch der Welt, kann mir was erzählen, was Metal ist und was nicht. Ich hoffe, ich habe mich unmissverständlich und deutlich genug ausgedrückt.
Das war auf jeden Fall deutlich, ja. Dass ihr euch nicht um „Regeln“ kümmert habt ihr ja in der Vergangenheit oft genug bewiesen. Zu den Alben konnte ich aber immer sehr guten Zugang finden. Bei „Gemini“ blieb mir der bis heute verwehrt. Neues Thema: Scheinbar bist du ja ein richtiger Workaholic, was mich an Bruce Dickinson erinnert. Machst du ausser CD-Produktionen noch andere Sachen? Hast du vielleicht schon ein Buch angefangen? Flugschein? Fechten?
Alex: Es gibt tatsächlich Anfragen wegen eines Buches, haha. Eigentlich ein lustiger Gedanke, so ein paar Sachen habe ich ja schon erlebt. Von Bombenanschlägen bis hin zu aufdringlichen Groupies war schon einiges dabei, hahaha….naja, schauen wir mal, es muss ja nicht jeder seinen Senf verzapfen. Ich arbeite noch als A&R Talent Scout und Label Consultant für Napalm Records, das habe ich bis Ende letzten Jahres schon jahrelang für Roadrunner Records gemacht.
Warst du eigentlich in deinem vorigen Beruf schon solch ein Workaholic, oder kam das erst mit der Musik bzw. als du deinen „normalen“ Beruf an den Nagel hängen konntest?
Alex: Mein berufliches Leben hatte eigentlich immer mit Musik zu tun. Ich habe mich sehr früh für diesen Weg entschieden, die Band seit meiner Jugend gemacht, selbst Konzerte organisiert, Artikel geschrieben usw. Noch während meinem Tontechnikstudium habe ich dann bei Massacre Records als Head of Promotion & Marketing und A&R gearbeitet. Mir macht es Spass mit anderen Künstlern zu arbeiten, und diese auch zu fördern. Meine Leidenschaft für Metal hat quasi meinen Lebensweg vorgegeben, und wenn ich etwas anpacke, dann eben richtig. Klar verlangt das manchmal sehr viel von einem ab, und oft geht das Ganze bis an die Grenzen der Belastbarkeit - mein Tinnitus lässt grüssen. Aber unsere musikalischen Projekte und das Mastersound Studio sind die Erfüllung eines Lebenstraums.
Du scheinst Überraschungen zu lieben. Es heisst ja auch, die schönste Freude ist die Vorfreude. Kann ich dir trotzdem nicht mal ein zwei Namen der, auf dem Nachfolger zu „Werk 80“ enthaltenen Stücke zum Abschluss des Interviews entlocken? Die Vorfreude bleibt ja dann immer noch erhalten und wird sicher nur noch grösser wenn wir wissen worauf wir uns freuen?
Alex: Haha, es wird noch nichts verraten, Geheimnis ist Geheimnis…demnächst wird ja der Titel der Online Single bekannt gegeben.
Dann machen wir hier an dieser Stelle Schluss, ich denke ich habe dich genug durchlöchert. Danke, für die ausführlichen Antworten. Möchtest du zum Abschluss noch ein paar Worte an eure Fans richten?
Alex: Ich möchte allen Fans dafür danken, dass sie uns so genial unterstützen. Ich verspreche Euch, dass die „Werk 80 II“ ein Knaller wird, das Warten wird sich lohnen. Ausserdem, möchte ich mich noch speziell bei den Leuten bedanken, die beim Konzert in Pratteln im Z7 mit Leaves’ Eyes und Kamelot waren, das war ein super Konzert! Danke auch für das ausführliche und interessante Interview! Hat Spass gemacht!