Warum Nietzsche kein Atheist war
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Nicht? Echt? Ach so... aber dann verstehe ich nicht wie das gemeint war mit "Gott ist tot".Ju-Hu hat geschrieben:Friedrich Nietzsche, der "Philosoph mit dem Hammer" (der übrigens KEIN Atheist war, wie von sämtlichen Kennern seines Gesamtwerkes, zu denen ich nicht gehöre, mir immer wieder berichtet wird)
Weil, soweit ich weiss war doch Nietzsche der Meinung, dass es angesichts des ganzen Elends undsoweiter keinen Gott geben kann (deswegen "ist tot"). Was ich persönlich so als Statement auch ein bisschen sehr einfach fand, davon abgesehen. Aber anscheinend stimmt das ja so auch gar nicht.
Wie ist es denn dann gemeint?
http://lmgtfy.com/?q=erkl%C3%A4rung+gott+ist+totvampyr supersusi hat geschrieben:Wie ist es denn dann gemeint?
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Gut, danke, Eldain, also darf ich das (nach kurzem Überfliegen des ersten Eintrags, denn ich werd ja nicht für Literaturrecherche den ganzen Tag bezahlt...deswegen frag ich, weisste, weil ich halt hoffe, dass es einer der es weiss kurz zusammenfassen kann) so verstehen, dass Nietzsche also selber an Gott glaubte, aber den Vatikan kritisierte?
Ja okay, das ergibt irgendwie auch gleich viel mehr Sinn.
Ja okay, das ergibt irgendwie auch gleich viel mehr Sinn.
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@ Mods (z.B. Imp?), können diese Beiträge hier ab Susis erste Frage bezüglich Nietzsche bitte abgetrennt werden zu einem neuen Thread, weil es hier überhaupt nicht mehr um Sufismus geht?
Titel des neuen Threads: "Warum Nietzsche kein Atheist war".
Besten Dank.
Ich bin kein Nietzscheaner, aber drei verschiedene Kenner, die Nietzsches GESAMTWERK gelesen haben, bestätigen mir unabhängig voneinander, dass Friedrich Nietzsche definitiv KEIN Atheist war, sondern sich in mehreren seiner Schriften sogar über die Atheisten lustig gemacht hat.
Nietzsche kritisierte auch nicht einfach den Vatikan, sondern als Sozial- und Zeitkritiker meines Wissens sämtliche "hohl" gewordenen Moralvorstellungen, also alles, was im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende "faulig" geworden war. Der "Philosoph mit dem Hammer", wie er sich selbst bezeichnete, schlug - metaphorisch gesprochen - sozusagen überall drauf, um zu schauen, was kaputt geht. Diese Leistung wird Nietzsche sogar seitens vieler linientreuer katholischer Theologen positiv anerkannt!
Dabei gilt unter Kennern Nietzsche, da er sich ja auch vehement gegen den Atheismus aussprach, selber als "verkappter Gottessucher". Wobei Nietzsche keine echte Alternative aufzeigen konnte und wohl selber nicht wusste, worin seine von ihm geforderte "Umwertung aller Werte" eigentlich bestehen soll.
Hier ein lesenswerter Beitrag darüber, abermals von dem Schweizer Religionsphilosophen Armin Risi, aus dem Jahre 2010:
"Nietzsche: Atheist, Antichrist oder Gottsucher?"
http://info.kopp-verlag.de/hintergruend ... cher-.html
Titel des neuen Threads: "Warum Nietzsche kein Atheist war".
Besten Dank.
Ich bin kein Nietzscheaner, aber drei verschiedene Kenner, die Nietzsches GESAMTWERK gelesen haben, bestätigen mir unabhängig voneinander, dass Friedrich Nietzsche definitiv KEIN Atheist war, sondern sich in mehreren seiner Schriften sogar über die Atheisten lustig gemacht hat.
Nietzsche kritisierte auch nicht einfach den Vatikan, sondern als Sozial- und Zeitkritiker meines Wissens sämtliche "hohl" gewordenen Moralvorstellungen, also alles, was im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende "faulig" geworden war. Der "Philosoph mit dem Hammer", wie er sich selbst bezeichnete, schlug - metaphorisch gesprochen - sozusagen überall drauf, um zu schauen, was kaputt geht. Diese Leistung wird Nietzsche sogar seitens vieler linientreuer katholischer Theologen positiv anerkannt!
Dabei gilt unter Kennern Nietzsche, da er sich ja auch vehement gegen den Atheismus aussprach, selber als "verkappter Gottessucher". Wobei Nietzsche keine echte Alternative aufzeigen konnte und wohl selber nicht wusste, worin seine von ihm geforderte "Umwertung aller Werte" eigentlich bestehen soll.
Hier ein lesenswerter Beitrag darüber, abermals von dem Schweizer Religionsphilosophen Armin Risi, aus dem Jahre 2010:
"Nietzsche: Atheist, Antichrist oder Gottsucher?"
http://info.kopp-verlag.de/hintergruend ... cher-.html
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Ich bediene mich aus Risis Artikel (obiger Link).
Nietzsche sagte u.a.:
»Ihr nennt es die Selbstzersetzung Gottes: es ist aber nur eine Häutung: er zieht seine moralische Haut aus! Und ihr sollt ihn bald wiedersehen, jenseits von Gut und Böse.«
(Nachlass: Die Unschuld des Werdens II, 949)
Nietzsche war NICHT antireligiös, wie er selbst sagte:
»Die neuere Philosophie, als eine erkenntnistheoretische Skepsis, ist, versteckt oder offen, antichristlich: obschon, für feinere Ohren gesagt, keineswegs antireligiös.«
(Jenseits von Gut und Böse, Abs. 54)
In "Also sprach Zarathustra" heisst es bloss, "dass Gott tot ist".
Hingegen der Ausspruch "Gott ist tot" findet sich lediglich in "Die fröhliche Wissenschaft", Absatz 125, und zwar in einem bemerkenswerten Kontext:
»Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: Ich suche Gott! Ich suche Gott! Da dort gerade viele von denen zusammenstanden, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein großes Gelächter. [ ] Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken. Wohin ist Gott? ,rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! [ ] Hören wir noch nichts von dem Lärm der Totengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch nichts von der göttlichen Verwesung? auch Götter verwesen! Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?«
Diese Episode endet bezeichnenderweise folgendermassen:
»Endlich warf er seine Laterne auf den Boden, dass sie in Stücke sprang und erlosch. Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. [ ] Man erzählte noch, dass der tolle Mensch desselbigen Tages in verschiedene Kirchen eingedrungen sei und darin sein Requiem aeternam deo angestimmt habe. Hinausgeführt und zur Rede gesetzt, habe er immer nur dies entgegnet: Was sind denn die Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?«
In "Der Antichrist", Absatz 39, heisst es erstaunlicherweise:
»Das Wort schon Christentum ist ein Missverständnis , im Grunde gab es nur Einen Christen, und der starb am Kreuz. [ ] bloß die christliche Praktik, ein Leben so wie Der, der am Kreuze starb, es lebte, ist christlich Heute noch ist ein solches Leben möglich, für gewisse Menschen sogar notwendig: das echte, das ursprüngliche Christentum wird zu allen Zeiten möglich sein Nicht ein Glauben, sondern ein Tun, ein Vieles-nicht-tun vor allem, ein andres Sein «
Ausserdem bejahte Nietzsche den freien Willen, der von Atheisten und Materialisten üblicherweise geleugnet wird.
(Ich gebe es zu: Da ich kein Fachmann für Nietzsche bin, habe ich jetzt sämtliche Zitate aus diesem Artikel geklaut:
http://info.kopp-verlag.de/hintergruend ... cher-.html )
Nietzsche sagte u.a.:
»Ihr nennt es die Selbstzersetzung Gottes: es ist aber nur eine Häutung: er zieht seine moralische Haut aus! Und ihr sollt ihn bald wiedersehen, jenseits von Gut und Böse.«
(Nachlass: Die Unschuld des Werdens II, 949)
Nietzsche war NICHT antireligiös, wie er selbst sagte:
»Die neuere Philosophie, als eine erkenntnistheoretische Skepsis, ist, versteckt oder offen, antichristlich: obschon, für feinere Ohren gesagt, keineswegs antireligiös.«
(Jenseits von Gut und Böse, Abs. 54)
In "Also sprach Zarathustra" heisst es bloss, "dass Gott tot ist".
Hingegen der Ausspruch "Gott ist tot" findet sich lediglich in "Die fröhliche Wissenschaft", Absatz 125, und zwar in einem bemerkenswerten Kontext:
»Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: Ich suche Gott! Ich suche Gott! Da dort gerade viele von denen zusammenstanden, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein großes Gelächter. [ ] Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken. Wohin ist Gott? ,rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! [ ] Hören wir noch nichts von dem Lärm der Totengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch nichts von der göttlichen Verwesung? auch Götter verwesen! Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?«
Diese Episode endet bezeichnenderweise folgendermassen:
»Endlich warf er seine Laterne auf den Boden, dass sie in Stücke sprang und erlosch. Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. [ ] Man erzählte noch, dass der tolle Mensch desselbigen Tages in verschiedene Kirchen eingedrungen sei und darin sein Requiem aeternam deo angestimmt habe. Hinausgeführt und zur Rede gesetzt, habe er immer nur dies entgegnet: Was sind denn die Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?«
In "Der Antichrist", Absatz 39, heisst es erstaunlicherweise:
»Das Wort schon Christentum ist ein Missverständnis , im Grunde gab es nur Einen Christen, und der starb am Kreuz. [ ] bloß die christliche Praktik, ein Leben so wie Der, der am Kreuze starb, es lebte, ist christlich Heute noch ist ein solches Leben möglich, für gewisse Menschen sogar notwendig: das echte, das ursprüngliche Christentum wird zu allen Zeiten möglich sein Nicht ein Glauben, sondern ein Tun, ein Vieles-nicht-tun vor allem, ein andres Sein «
Ausserdem bejahte Nietzsche den freien Willen, der von Atheisten und Materialisten üblicherweise geleugnet wird.
(Ich gebe es zu: Da ich kein Fachmann für Nietzsche bin, habe ich jetzt sämtliche Zitate aus diesem Artikel geklaut:
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Nee. Ich hatte das nur so falsch aufgefasst, weil Gott ja nicht tot sein kann und ich nun glaubte, dass er damit meint, es gäbe keinen (totale Fehlinterpretation). Das liegt auch daran, dass mich ausser Ju-Hu jetzt noch nie jemand so genau korrigiert hat.Bernard Gui hat geschrieben:Soweit ich weiss, hat Nietzsche nie behauptet, dass es keinen Gott gibt. Er sagt lediglich, dass er tot ist...
Nur eben, dass meine Ansicht nicht stimmt und so, aber nicht wieso (das sehe ich dann nicht ein).
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Das interessante an Nietzsche sind generell diese plakativen Statements (auch zum Thema Frau), die dann aus dem Kontext gerissen teilweise wirklich genau das Gegenteil dessen sagen, als was sie gemeint waren:

Dieses Zitat lässt er übrigens eine Frau sprechen. Sagen wollte er damit wohl, dass die Frau lenkt, während Mann den Karren aus dem Dreck zieht. Und dazu braucht sie eine Peische. Diese Deutung lässt zumindest dieses, auf Nietzsches Wunsch angefertigte Bild zu:Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!

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Das ist ja interessant, Shadow, wusste ich gar nicht, das mit der Peitsche. Aber stimmt: bei so provokativen Statements ist der Zusammenhang umso wichtiger, um nicht genau falsch verstanden zu werden.
Jdf. scheint Nietzsche wirklich intelligent und auch ziemlich cool gewesen zu sein. Das ist wirklich mal ne Erkenntnis und freut mich jetzt total (wär ich bestimmt in 100 Jahren nicht drauf gekommen).
Dank Euch Leute!
Jdf. scheint Nietzsche wirklich intelligent und auch ziemlich cool gewesen zu sein. Das ist wirklich mal ne Erkenntnis und freut mich jetzt total (wär ich bestimmt in 100 Jahren nicht drauf gekommen).
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