Das neue Album von Swallow the Sun, "Shining", ist ein Werk, das unweigerlich die Geister scheiden wird. Die Band hat einen weiten Weg hinter sich – von ihren Anfängen in den erdrückenden Doom-Death-Gefilden bis hin zu einer allmählichen Öffnung in Richtung atmosphärischer, introspektiver Klänge. Mit jedem Album haben sie sich tiefer in emotionale Landschaften vorgewagt, die weniger von der Wucht des Riffs und mehr von der Schwermut und Melancholie der Melodien leben. "Shining" setzt diese Reise fort und beschreitet gleichzeitig neue Pfade, die das Bandgefüge auf eine neue Probe stellen.
Mit der Hilfe von Grammy-nominierten Produzenten Dan Lancaster – bekannt für seine Arbeit mit Größen wie Muse und Blink-182 – wollten Swallow the Sun ihrem Sound eine frisch polierte Hülle verpassen. Das Ergebnis? Die Band selbst beschreibt es als „das Black Album des Death Doom“. Was hier präsentiert wird, ist eine viel glattere, gestrafftere Version ihres Stils, eine, die die klanglichen Abgründe durch kürzere, kompaktere Songs mit einer deutlich radiotauglicheren Ausrichtung ergänzt. Doch diese Neuinterpretation bringt zwangsläufig Opfer: Der Verlust an Rohheit und roher Heaviness ist spürbar, und die Frage steht im Raum, ob diese neue Richtung eingefleischte Metal-Fans überzeugen oder verprellen wird.
Der frischere, massenkompatiblere Sound ist bereits beim Opener „Innocense Was Long Forgotten“ offensichtlich. Die beklemmende, kalte Atmosphäre Finnlands bleibt erhalten, doch die Struktur fühlt sich kontrolliert, beinahe vorsichtig an. Es erinnert an die Soloprojekte von Dawn of Solace, durchzogen von melancholischen Harmonien und einem Chor, der zwar fesselt, aber auch das Risiko birgt, allzu sicher zu wirken. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Swallow the Sun hier auf Nummer sicher gehen, was die einstige Unbändigkeit ihrer Musik dämpft.
Doch die Band gibt sich nicht ganz dem Gothic-Rock hin, ohne ihre metallische Seite zumindest punktuell aufblitzen zu lassen. „What Have I Become“ bringt Amorphis-ähnliche Death-Growls und packende Gitarrenriffs ins Spiel, gepaart mit sehnsüchtigen Piano-Linien und ätherischen Clean Vocals. Es ist ein Versuch, die Balance zwischen Dunkelheit und Melodie zu wahren, doch auch hier fühlt sich die Komposition gezügelt und vorsichtig an. Ein Muster, das sich durch das Album zieht: Der Versuch, härtere Stücke wie das düstere „Kold“ mit sanfteren Tracks wie „MelancHoly“ zu kontern, schafft es selten, den Hörer wirklich zu packen.
Dennoch gibt es einige Höhepunkte auf "Shining", die beweisen, dass Swallow the Sun immer noch zu tiefgehender, intensiver Musik fähig sind. „November Dust“ hebt sich hervor, indem es die reinen Gothic-Wurzeln der Band erkundet und einen Hauch von Fields of the Nephilim und Type O Negative evoziert. Hier wird die dunkle Romantik der 80er Goth-Ikonen aufgegriffen und in eine resignierte Hymne verwandelt, die in einem friedhofsgleichen Trauermarsch endet. Mikko Kotamäkis Vocals erinnern eindrucksvoll an Carl McCoy, und die Band lässt sich vollkommen auf die depressive Energie ein, was dem Stück eine besondere, fesselnde Tiefe verleiht. Auch „Charcoal Sky“ sticht hervor, indem es die death- und blackened Elemente mit einer Intensität umsetzt, die auf dem restlichen Album oft vermisst wird. Mikko ruft hier eine beeindruckende Tomi Joutsen-Hommage hervor, während donnernde Riffs und dezente Orchestrierung den Song tragen.
Doch für jeden dieser ergreifenden Momente gibt es Passagen, die einfach nicht zünden wollen. Der neuneinhalbminütige Titelsong „Shining“ schließt das Album ab und fasst die Stärken und Schwächen zusammen: Aufblitzende Genialität und eine sich wiederholende, zu disziplinierte Struktur. Mikko kann mit seiner Stimme faszinieren, doch es bleibt der Eindruck, dass etwas Essenzielles fehlt – eine verlorene Seele inmitten des Klangmeeres.
Instrumental bleibt die Band meisterhaft, doch die Spielfreude scheint gebändigt. Juha Raivio und Juho Räihä zaubern hin und wieder wunderbare Leadpassagen hervor, aber oft fühlt sich das Gitarrenspiel zurückgehalten an. Die Mischung aus minimalistischen Goth-Riffs und sichtlich reduzierter Schwere hinterlässt eine schwer greifbare, fast klinische Atmosphäre, die den emotionalen Kern der Musik schwächt.
"Shining" ist ein Album, das in seiner Glätte und polierten Art zu gefallen weiß, doch die Kälte und Distanz, die es ausstrahlt, könnten viele vor den Kopf stoßen. Anstelle eines mitreißenden emotionalen Aufruhrs wird uns eine sterilisierte, zurückhaltende Klanglandschaft präsentiert, die schwer zu durchdringen ist. Swallow the Sun bewegen sich damit auf einem Grat zwischen Eingängigkeit und Enttäuschung, und während sie das Potential haben, den Hörer tief zu berühren, wirkt es hier, als habe die Band sich eine Mauer gebaut – eine Mauer aus wohlklingenden, aber blassen Steinen.
Albuminfo
Punkte |
4/5 |
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Label |
Century Media |
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Veröffentlichung |
10/2024 |
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Format |
CD |
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Land |
Finnland | |
Genre |
Doom / Death Metal |
Tracklist
1. Innocence Was Long Forgotten
2. What Have I Become
3. MelancHoly
4. Under the Moon & Sun
5. Kold
6. November Dust
7. Velvet Chains
8. Tonight Pain Believes
9. Charcoal Sky